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Der Vergleich des Hamburgers auf dem Werbeschild mit dem Ergebnis auf dem Tresen bringt den Filialleiter des Schnellrestaurants in Erklärungsnot. „Das ist genau das, wovon ich rede“, sagt der Kunde, der eine Maschinenpistole dabeihat: „Sehen Sie sich das an, das ist etwas wunderbar Saftiges zu Essen.“ Der Gast greift in die Pappschachtel: „Und nun werfen Sie mal einen Blick auf diesem miserablen, zusammengedrückten Fraß.“ Es folgt die rhetorische Frage: „Kann mir irgendjemand hier sagen, was mit der Werbung nicht stimmt?“
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Es ist ein grausames Spiel, das der Regisseur Joel Schumacher 1993 in seinem Film „Falling Down“ mit den Zuschauern treibt. Natürlich ist der Gast, dargestellt von Michael Douglas, ein Psychopath; er wird noch am selben Tag erschossen. Trotzdem kann man die Wut des Mannes mit der Maschinenpistole teilweise nachvollziehen. Kein Hamburger, keine Pommes, ja nicht einmal eine Cola sah in Fast-Food-Restaurants je so aus, wie es die Reklame vorgaukelt. Damit handelt es sich um ein Versprechen, das Tag für Tag weltweit abermillionenfach mit größter Selbstverständlichkeit gebrochen wird – und man muss schon über die Haut eines Rindviehs verfügen oder ein Zyniker sein, wenn man wegen dieses verlogenen Gebarens keinen Groll hegen will.
Nichts in der Kulturgeschichte des Essens zieht so erbitterte Kritik auf sich wie jene Restaurantketten, die mit der Aussicht auf schnelles Essen zu Unternehmen mit Milliardenumsätzen geworden sind. Und weil McDonald’s am größten ist, steht dieser Burgerbrater, der am 15. Mai 1940 im kalifornischen San Bernardino seine Urfiliale eröffnete, noch einmal besonders im Fokus der Aufmerksamkeit. Dabei geht es um mehr als uneingelöste Werbeversprechen, nämlich um Fragen der Auswirkungen auf die Gesundheit, des Umweltschutzes und nicht zuletzt darum, wie die Firma ihre Mitarbeiter behandelt. Mancher Vorwurf ist ungerecht – speziell in Deutschland, wo es Lieferverträge mit regionalen Anbietern und interne Förderprogramme gibt.
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Als die Brüder Richard und Maurice McDonald („Dick & Mac“) 1940 ihr erstes „Bar-B-Q“-Restaurant eröffneten, befanden sich die USA zwar noch nicht im Krieg, allerdings war das Versprechen, rasch und günstig satt zu werden, auch im Westen noch ein viel größeres als heute. Das Hamburger Hacksteak hatten deutsche Einwanderer im 19. Jahrhundert in die USA gebracht. Die Zubereitung folgte der Einsicht, dass man von einem mühsam großgezogenen Tier am besten alle Teile verarbeitet, und sei es um den Preis, zähe Fleischpartien zu zerkleinern und durchzubraten.
Die große Stunde der Brüder McDonald schlug nach dem Krieg: 1948 führten sie bei der Zubereitung ihrer Speisen Arbeitsteilung ein und stellten auf Essensausgabe am Tresen um, das sogenannte Speedee-System. Hinzu kam 1953 das Franchise-Prinzip, Unternehmer leiten selbstständig Filialen, müssen aber von der Mutterfirma Zutaten, Einrichtung und Marketing übernehmen.
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1954 trat der Milchshake-Mixer-Verkäufer Ray Kroc an die Brüder heran, um weitere Restaurants zu eröffnen, die rationelle Arbeitsweise hatte ihn überzeugt. Sein erstes eigenes Lokal stand in Des Plaines. Franchise-Nehmer stammten aus dem Bekanntenkreis – doch weil einige von ihnen im Geschäftsleben unerfahren waren, machten sie sich untereinander Konkurrenz, sodass wirtschaftliche Schwierigkeiten auftraten.
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Kroc gelang es, diese Probleme durch sorgfältigere Planung zu bewältigen. In der Folgezeit gewann der Sohn böhmischer Einwanderer immer mehr an Einfluss, zu Beginn er 60er-Jahre kaufte er die Brüder für 2,7 Millionen Dollar aus. Viel Geld, aber nur ein Bruchteil von dem, was die erhalten hätten, wenn sie dabeigeblieben wären. 20,8 Milliarden Dollar Umsatz in 140 Ländern und 5,8 Milliarden Dollar Gewinn stehen für das Jahr 2020 in den Geschäftsbüchern.
In den Jahrzehnten bis zu seinem Tod 1984 schenkte der „Hamburger-King“ Kroc der Welt Erkenntnisse wie „Ich erwarte Geld, wie man Licht erwartet, wenn man den Schalter anknipst“ oder „Es ist so viel Grazie in der sanft geschwungenen Silhouette eines Hamburger-Brötchens – es erfordert schon einen ganz besonderen Geisteszustand, um das zu erkennen.“
In Deutschland begann die Geschichte des Fast Foods 1971 im Münchner Arbeiterstadtteil Obergiesing – die dortige McDonald’s-Filiale existiert noch immer. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus stiegen der Big Mac & Co. in Osteuropa zum Statussymbol auf, aktuell findet diese Entwicklung in China statt. Ob alle Gäste, die je in einen Burger gebissen haben, die Silhouette des Brötchens in die Filialen trieb, darf wohl bezweifelt werden.
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Fest steht aber, dass es dem Unternehmen stets gelungen ist, sich mit Angeboten wie Kaffee, Salaten oder veganen Burgern dem Zeitgeist anzupassen. Es wird interessant zu beobachten sein, ob das weiter der Fall ist. Ein Problem haben die Ketten nicht nur hierzulande: Der Hamburger hat es auf die Speisekarten von Luxusrestaurants geschafft. Der Imagewandel vom Billiggericht zum exklusiven Vergnügen könnte gefährlich werden. Denn meistens sieht ein Edelburger sogar besser aus, als man es erwartet.
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